Kontiki Reisen Norland Reisemagazin
«Es ist eher so, dass dieser Platz zu uns gekommen ist.» Max Hensler Mäx, der Gastgeber. «Guet gschlaafe?», fragt er an jedem Tisch, ‹Möcke›», mit zwei Händen deutet er an, wie dick. Als wir durch oder «Did you sleep well?», sieht sofort, dass der Glaskrug mit dem die verschneiten Wälder des Tornedalen (Torniotal) fahren, deutet Orangensaft leer ist, holt weitere Brötchen aus der Küche und er linkerhand zu einem Bauernhof: «Dort beziehen wir unsere e rkundigt sich dann bei allen nach den Wünschen fürs Tages ‹Gumel›, also unsere Härdöpfel, und von dort», jetzt zeigt sein programm. Wer will mitkommen zu den Rentieren, wer mag lieber Zeigefinger nach vorne zu einem Treibhaus, «kommen die Toma Schneeschuhlaufen direkt ab Haustüre, Eisangeln auf dem Tornio; ten und Gurken.» wer möchte heute noch in die Sauna oder den Hot Pot? Denn je nachdem muss man jetzt mit dem Einfeuern beginnen. Wir halten in Juoksengi am Polarkreis. Auch hier ist es beschau lich still, im Gegensatz zum Nordkap sind weder Busse noch Tou «Mäx, wie hat sich dein Leben verändert, seit du hier bist?» risten zu sehen. Wie übermütige Kinder setzen wir zum Sprung «Die Präsenzzeit ist länger: Ich bin vom ersten Kaffee bis zum über den Polarkreis an. Noch stiller und magischer wird’s später letzten Schlumi vor dem Kaminfeuer für die Gäste da.» auf dem Spaziergang im Märchenwald von Rentierhirte Johan. Es «Ist das nicht anstrengend?» schneit lieblich vor sich hin, und zwischen den Bäumen tummeln «Natürlich. Aber gleichzeitig beflügelt es mich. Das hier ist ein sich die Rentiere, wir dürfen sie mit Flechten füttern. Sie sind kein Herzensprojekt, da steckt meine ganze Leidenschaft drin.» bisschen scheu, im Gegenteil: Einige schubsen uns auffordernd «Was hat dich am meisten mit der Nase. Von Johan er überrascht?» fahren wir, wie die jungen «Dass die Bürokratie so Rentierkälber ihre Markie schleppend ist. Jede Bewilli rung mit dem Messer erhal gung verlangt einen unglaub ten, er erzählt von der Ren lichen Papierkrieg und ver tierscheide, dem Höhepunkt schlingt viel Zeit. Diese im Jahr, wenn entschieden L ethargie macht mich fertig.» wird, welche Tiere geschlach «Und was macht dich glück tet und welche gezüchtet lich?» w erden. Wenn Mäx sich mit «Wenn alle hier eine ‹Fantastic ihm auf Schwedisch unter Time› erleben, so wie es unser hält, mit diesem lang gezoge Claim verspricht.» nen, bedächtigen «Jooo», die «Warum habt ihr genau diesen Hände im Hosensack, könnte Platz gewählt?» man ihn für einen Einheimi «Es ist eher so, dass dieser schen halten. Platz zu uns gekommen ist. Wir haben viele Anlagen be Rogers Rentierherzen sichtigt. K eine passte richtig. Hier wusste ich bereits nach 20 Minuten: Das ist es!» Max Hensler zeigt seinen Gästen mit Leidenschaft sein neues Leben: Hier verteilt er mit Rentierhirte Johan Flechten. Den Rentiermetzger Roger lernen wir auf der Rückfahrt kennen. «Da, probiert!», ruft «Was hat dich so überzeugt?» er und schiebt aufgeschnitte «Die Lage am Fluss. Das Leben mit den Elementen: das Wasser ne geräuchte Rentierherzen über den Tresen. Roger war früher Be direkt vor der Nase, die Erde mit den Wäldern, die gute Luft, das amter im Verkehrsamt. Eines Tages hatte er genug von all den Ge Feuer – auch symbolisch mit den Nordlichtern. Die Weite, die setzen und Reklamationen von genervten Bürgern und beschloss Ruhe, und das Dorf so nah.» zu tun, was er, wie jeder Sami hier, von seinem V ater gelernt hatte: «Was machst du am liebsten?» das Metzgen von Rentieren und Elchen. Sechs Mitarbeiter zählt «Unseren Gästen diese wunderbare Gegend zeigen.» sein Betrieb heute, darunter die beiden Söhne. Rogers Sohn Isak hat das Handwerk von der Pike auf gelernt. Über den Polarkreis hüpfen Er schlachtet lieber Rentiere als etwa ein Schwein oder ein Kalb, Mäx, der Guide. Mit dem Bus preschen wir über den eisigen Tornio obwohl er auch das durchaus beherrscht: «Aber beim Rentier nach Finnland, er zeigt uns den Platz, wo die Einheimischen je brauchst du das Messer viel weniger», sagt er. Und Elche seien weils doppelt Silvester feiern, erst auf der finnischen, dann auf der schlachttechnisch gesehen wie «grosse Rentiere – man bearbeitet schwedischen Seite («die Finnen sind uns eine Stunde voraus»), er sie genau gleich». Isak hat seinen Beruf und die Firma im Januar führt uns zu den Stromschnellen in Kattilakoski, erzählt von dem an der internationalen «Grünen Woche» in Berlin vertreten. «Das Naturspektakel, wenn im Mai die «Islösning» beginnt, wenn das war nötig. Die Leute meinen sonst, Schweden höre in Stockholm Eis knackt und kracht und bricht und der Wasserpegel im Tornio auf. Aber auch wir hier oben haben eine Menge zu bieten.» gefährlich steigt; von den Lachsen und ihrer Wanderung im letz «Hier oben» ist Schwedisch-Lappland, eineinhalb Fahrstunden ten frei fliessenden Lachsstrom von Europa. Über 100 000 Lachse von der finnischen Polarkreis-Stadt Rovaniemi entfernt. «Hier oben» sind im letzten Jahr zum Laichen eingestiegen. «Wenn sie zurück leben zwei Menschen pro Quadratkilometer. Für die H enslers ist kommen», sagt Mäx, «sind sie unglaublich gross und fett, richtige es zur Heimat geworden. 28 Kontiki Reisen
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