Kontiki Reisen
EIN SCHWEIZER IN ISLAND «Mir kamen fast die Tränen, aber ich konnte nicht erklären, warum.» Es passierte, als er 15 Jahre alt war. Joachim B. Schmidt landete mit seinem Gotti in Island für eine gemeinsame Ferien woche. Keine 24 Stunden später hatte er sich unsterblich in entdeckte ich den Schriftsteller in mir.» Als Schweizer konnte er sich auf der Insel gut und schnell integrieren. Er lernte die Sprache, verliebte sich beim Tanzen in einem Reykjavíker Club in die Islän- die Insel verliebt. Natürlich war es die Natur, die dem Bauernsohn derin Kristín Elva Rögnvaldsdóttir und nun sind die beiden Eltern imponierte. Aber wegen der Natur allein wandert man nicht aus, von zwei Kindern. Joachim Schmidt machte die Ausbildung zum erst recht nicht als Bündner. «Damals ist mir alles stark eingefah- Reiseleiter und wurde isländischer Staatsbürger. Einziger Wermuts- ren: Das Wasser, das nach faulen Eiern riecht, die menschenleeren tropfen: Als Schweizer Buchautor ist es schwierig in Island. Solange Strassen, das Licht, die Lavafelder. Mir kamen fast die Tränen, seine Bücher nicht in der obersten Liga der Weltliteratur mitspie- aber ich konnte nicht erklären, warum.» Heute weiss der Buchautor: len, werden sie nicht übersetzt. Und da nur wenige Isländer Deutsch Es war das Gefühl von Ruhe, Geborgenheit und Freiheit. Später beherrschen, bleiben den meisten Schmidts Geschichten verwehrt. nährten vor allem zwei politische Gründe seinen Auswanderungs- Selbst seine Partnerin Kristín konnte noch keines seiner Bücher wunsch: «Die Gleichberechtigung in Island ist viel fortgeschrittener lesen. «Aber ich erzähle ihr viel davon, und manchmal hat sie auch als in der Schweiz, und Isländer machen kein Waffengeschäft.» gute Ideen für meine Geschichten», sagt der 35-Jährige. Dank Es vergingen zehn Jahre, bis der gelernte Hochbauzeichner einen eines befreundeten isländischen Autors wurde immerhin eine One-Way-Flug nach Island buchte. Schon damals schliff er am Kurzgeschichte von ihm übersetzt und in einem Magazin Manuskript für seinen Roman «Moosflüstern». Mit einer klaren v eröffentlicht. Idee im Kopf, wie die Kulisse für dieses Buch aussehen soll, mach- Seit zehn Jahren fühlt sich der Bündner nun in Island daheim. Weil te er sich in Island auf die Suche – und fand optimale Bedingun- er aber Freunde und Familie in der Schweiz vermisst, pendelt er so gen in den Westfjorden. Ein Jahr lang liess sich Joachim Schmidt oft wie möglich zwischen den beiden Ländern hin und her. Wäh- dort nieder, schrieb an seinem Roman, brachte ihn allerdings nie rend andere die Welt entdecken, investiert Joachim B. Schmidt heraus. Um seinen Traum im Geld und Ferien in einen hohen Norden zu finanzieren, Aufenthalt in der alten Hei- arbeitete er nicht nur als frei- mat. «Das sind die Nachteile schaffender Journalist, son- des Auswanderns. Man dern kellnerte in einem Res- kommt viel weniger herum, taurant und lernte dabei is- als manche meinen. Und ländisch. Schon an Tag eins wichtige Menschen sind sehr der Auswanderung begann weit weg.» Zwischendurch für ihn die Jobsuche, «denn schwelgt er auch in Erinne- ohne Arbeit hätte ich nach rungen an den öffentlichen drei Monaten wieder nach Verkehr in der Schweiz – Hause fahren müssen.» «ich fahre so gerne Zug» – Bis so ein Buch allen gefalle, oder an ein gutes Stück die daran mitarbeiten, «dau- Schweizer Käse. «Aber das ert es ein Weilchen», begrün- sind Luxusprobleme, damit det der Autor die lange Pro- lässt es sich gut leben.» duktionszeit. Doch jetzt, ein Schmidt möchte nicht aus- Jahrzehnt nach seiner Aus- schliessen, irgendwann seine wanderung nach Island, seien Zelte wieder in der Schweiz «auch andere Leute zufrieden». So kommt sein Neuling «Moosflüstern» im April in Das Gefühl von Ruhe, Geborgenheit und Freiheit lockte den Buchautor nach Island. Ist er frustriert, fährt er in die Natur und alles ist wieder gut. aufzuschlagen. Allerdings könnte das etwas schwierig werden, denn nach spätestens den Buchhandel, als drittes zwei Wochen fängt er an, Werk nach seinem Debüt sein Island zu vermissen. roman «In Küstennähe» sowie «Am Tisch sitzt ein Soldat». Nicht Wie zwei Drittel aller Isländer lebt auch Joachim Schmidt mit zuletzt kostet es viel Geld, ein Buch zu schreiben. Geld, das man seiner Familie in Reykjavík. Konzerte, Kino, Freunde: Das Leben zuerst haben muss. Mit dem ersten Platz im Schreibwettbewerb in der Hauptstadt ist einfacher als auf dem Land. Und die mysti- «Grosse Sehnsucht Schreiben», 2010 von Blick am Abend und sche Natur liegt direkt vor der Haustür. «Wenn ich frustriert bin, Thalia ausgerufen, erhielt Schmidt 15000 Franken und somit ein muss ich nur ein paar Minuten aus der Stadt rausfahren, die Natur schönes Startkapital. aufsaugen und alles ist wieder gut. Oder abends im Winter ein Nordlicht sehen – und die Sorgen sind vergessen.» Die Partnerin kennt keines seiner Bücher Ohne Island wäre Schmidt vermutlich kein Buchautor. Als Journalist hat er zwar schon immer gerne geschrieben: «Aber erst in I sland habe ich gemerkt, dass ich Geschichten erzählen will. Hier « Moosflüstern», der neue Roman von Joachim B. Schmidt, ist ab sofort erhältlich. An Lesungen in der Schweiz stellt der Autor sein neues Werk vor. Mehr Informationen unter www.joachimschmidt.ch. Nordland 13/2017 29
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