4 1 | 2017 Die REGA von Okavango Maun (cz) Die berühmten roten Helikopter landen nun auch in Afrika: Ein Schweizer Paar exportiert das Rega-Modell nach Botswana. Es ist 14.20 Uhr als der Notruf eingeht. In der Wüstenstadt Maun, im Norden Botswanas, hält Misha Kruck ein gelbes Mobiltelefon ans Ohr - bereit, gleich wieder aufzulegen. Immer wieder hat es in letzter Zeit Jux-Anrufe gegeben, immer wieder falscher Alarm. Doch: Diesmal ist es ernst. Der Anruf kommt aus einem Safari-Camp inmitten des OkavangoDeltas. Ein Jeep wurde von einem Elefanten angegriffen, eine Frau liegt verletzt am Unfallort. Misha Kruck löst Alarm aus, informiert ihren Piloten und macht sich auf zum nahen Flughafen. Seit sie nach Botswana gekommen ist, besteht ein Grossteil ihres Alltags aus Büroarbeit, aus Delegieren und Verwalten. Jetzt aber ist alles wieder so wie früher, wie damals, als sie mit der Rega unterwegs war. Jetzt zählt jede Minute. Um 14.50 Uhr ist der rote Helikopter der Okavango Air Rescue in der Luft, 45 Minuten später landet er am Unfallort, inmitten des Deltas, ringsherum Büsche, Gras, und da: der zerstörte Jeep. Mit voller Wucht hat das Elefantenweibchen den Wagen gerammt, ihn vor sich her gerollt und auf dem Dach liegen lassen. Die Frau wurde, wie in einer überdimensionalen Waschmaschine, durch das Innere des Wagens geschleudert. Die Folgen: Blaue Flecken, blind vor Schwellungen, Gesichtsfraktur. Innert Kürze verladen Misha Kruck und ihr Pilot die Patientin in den Helikopter, fliegen sie nach Maun und transferieren sie per Flugzeug weiter in die Hauptstadt Gaborone. Was früher unendlich lange gedauert hätte, gelingt jetzt innert Stunden. Bereits am Abend liegt die Patientin im bestausgerüsteten Spital des Landes - gerettet von der Okavango Air Rescue, von der Rega des Südens. Rega-Stiefkind im Busch In der Schweiz gilt die Arbeit der Rettungsflugwacht längst als selbstverständlich. Zweieinhalb Millionen Gönner zählen auf die fliegenden Ärzte, die Rega ist eine Institution. Doch so war es nicht immer: Bis 1946 mussten in Not geratene Menschen in den Bergen über Land gerettet werden – dann nahmen wagemutige Piloten und weitsichtige Pioniere das Heft in die Hand. Sie landeten mit Flugzeugen auf Gletschern, flogen erste Helikopterrettungen und gründeten 1952 die Schweizer Rettungsflugwacht. Eine eindrückliche Geschichte. Eine, die sich gerade im südlichen Afrika wiederholt. Seit drei Jahren fliegt der rote Helikopter der Okavango Air Rescue am Himmel über Botswana. In drei Jahren haben der Schweizer Unternehmer Christian Gross und die deutsche Ärztin Misha Kruck eine Rega-Tochter aufgebaut, die Dr.Misha Kruck (links) bei der Einsatzplanung mit Mitarbeiterin sich sehen lässt. Oder eher: ein Rega-Stiefkind. «Eine vertragliche Verbindung zum Schweizer Original gibt es nicht», sagt Kruck. «Aber die Rega ist zu hundert Prozent unser Vorbild.» Sie haben das Gönnermodell aus der Schweiz übernommen, haben ehemaliges Equipment der Rettungsflugwacht erhalten, profitieren vom Wissen einer ehemaligen Rega-Ärztin – und verfolgen dasselbe Ziel. «Zumindest fast», sagt Misha Kruck. «Wir holen die Menschen aus dem Busch statt aus den Bergen.» Die deutsche Ärztin sitzt hinter ihrem Schreibtisch im geräumigen Büro der Okavango Air Rescue, nur wenige hundert Meter entfernt vom Flughafen Maun. Die Stadt mit ihren 50‘000 Einwohnern gilt als Tourismuszentrum, als Ausgangspunkt für Safaris ins nahe Okavango-Delta. Das Unesco-Welterbe, eines der tierreichsten Feuchtgebiete Afrikas, zieht jährlich weit über hunderttausend Besucher an – Einnahmen für das Land, Kundschaft für die Air Rescue. Vier bis fünf Einsätze fliegt Misha Kruck pro Monat - wegen Schlaganfällen, Herzinfarkten, Verkehrsunfällen, oder eben: Tierattacken. Ruhig und präzise erzählt sie vom Elefantenangriff im Juli, Extremsituationen ist sie gewohnt. 1995 flog Kruck erstmals mit der Rega in der Schweiz, damals noch als Anästhesistin am Unispital Basel. Später arbeitete sie in Genf, absol- vierte als Freiwillige Rega-Einsätze an den Wochenenden. Zuletzt war sie im Spital Thusis tätig, wo sie als Chefärztin Anästhesie und Rettung einen Rettungsdienst am Boden aufbaute. Dann trat Christian Gross in ihr Leben. Das Abenteuer begann. Vom Hobby zum Unternehmen Es ist im Juni 2010 als das Paar, beide Anfang fünfzig, erstmals nach Botswana reist. Sie suchen einen Ort, wo das Leben schön ist und herausfordernd. Einen Ort zum Bleiben. Botswana gefällt ihnen sofort: Sie mögen die geringe Korruption, die Ehrlichkeit der Leute, die Fauna und Flora im nördlichen Teil des Landes. Noch während ihres ersten Aufenthaltes kaufen Kruck und Gross ein Stück Land in Maun, das sie entwickeln und vermieten wollen. Sie investieren in Immobilien, um sich den Rücken für ihr Hobby freizuhalten. Ein Hobby, das nicht lange Hobby bleiben wird. Im November 2015 sitzen Christian Gross und Misha Kruck auf der Veranda beim Abendessen, hinter ihnen ihr Haus, vor ihnen der Garten, ihre Ranch, eine Landschaft wie aus dem Bilderbuch. Palmen und Pool im Vordergrund, dann ein Zaun, der wilde Tiere abhalten soll, und dahinter: der Fluss Thamalakane, der seit Monaten zu we-
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