4 2 | 2012 Hautnah am wilden Leben Jason, unser Fährtenleser, spitzt die Ohren. Konzentriert lauscht er dem Gezwitscher der Vögel, die ihr allabendliches Konzert pfeifen. Plötzlich räuspert er sich und flüstert Fahrer Nelson zu: «Richtung Südwesten. Schnell!» Uns weist er in strengem Ton an: «Und ihr macht keinen Mucks!». Johannesburg (sh) Eingeschüchtert sitzen wir im offenen Geländewagen und schauen einander erstaunt an. Es muss etwas im Busch sein, wortwörtlich, sonst würde sich der stets freundliche und charmante Jason nicht so unheimlich verhalten. Mit einem Affentempo rast Nelson in der Abenddämmerung durch ausgetrocknetes Gebüsch und ein knietiefes Flussbett. Wir halten uns verkrampft an Türen und Sitzen fest, bis der Fahrer abrupt stoppt und auf den Boden zeigt. Im Lichtkegel der Scheinwerfer erkennen wir Abdrücke von schmalen Tatzen im Sand. Dann geht alles Schlag auf Schlag. Aus dem Nichts tauchen zwei Leoparden auf, und wir bekommen ein Schauspiel geboten, das nur wenigen Menschen vergönnt ist: Drei Meter vor uns besteigt ein Leopard sein Weibchen! Die schrillen Liebeslaute der beiden gehen durch Mark und Bein. Fast fünf Minuten begleiten wir die sich paarenden Tiere, bis sie sich von uns zu stark gestört fühlen und fliehen. Zurück in der Lodge setzen wir uns an die Tische unter dem Sternenhimmel und tauschen mit anderen Gästen Safari-Erlebnisse aus. Jeder hat in dieser milden afrikanischen Nacht ein Abenteuer zu erzählen: Ein schottisches Paar aus Edinburgh traf auf ein Rudel Löwen und begleitete es zwanzig Minuten auf der Jagd. Erst als ihr 4 ×4-Wagen im Morast steckenblieb, wurden sie von den Raubkatzen abgehängt. Und zwei Big 5-Erlebnis im Krüger Nationalpark Schwestern aus Frankreich reichen stolz ihre Kamera mit Fotos der «Big Five» herum – dazu gehören Elefanten, Löwen, Nashörner, Büffel und auch die extrem scheuen Leoparden. Sie haben sie alle an einem einzigen Tag gesehen. Dass alle Gäste von so ungewöhnlichen Erlebnissen berichten können, ist sicher ein Glücksfall. Es liegt aber auch daran, dass das Sabi Sands Game Reserve ein Privatpark ist. Er grenzt an den weltberühmten Krüger-Nationalpark, das grösste Wildtier-Schutzgebiet Südafrikas. In den Sabi-Sand-Privatpark kommt nur, wer dort mindestens eine Übernachtung gebucht hat. Und die hat ihren Preis: Unter 300 Franken pro Person findet man nichts. Wer noch mehr ausgeben will, darf bis zu 1600 Franken bezahlen. Dafür übernachtet man in der Designer-Lodge von Sir Richard Branson, dem weltberühmten britischen Abenteurer und Unternehmer. Dank dieser Exklusivität wird der Park nicht von den Massen überrannt, und man kann in Kleinstgruppen in Geländefahrzeugen auf Pirsch gehen. Da sich die Fahrer nicht auf festgelegten Routen bewegen müssen, kommt man bis auf wenige Meter an die wilden Tiere heran und erlebt unvergessliche Safari-Momente. Zusätzlich wird in Sabi Sands, im Gegensatz zum Krügerpark, ÖkoTourimus grossgeschrieben. Die Besitzer der luxuriösen Unterkünfte sind sich der Fragilität und der Einzigartigkeit des tierreichen Parks bewusst. Wer kein so grosses Budget hat, findet das Afrika seiner Träume mit Glück auch in jenem Teil des Krügerparks, der für alle zugänglich ist. Meistens aber nur in der Nebensaison (April und Mai) und mit viel Dusel. Dann kann es durchaus sein, dass man im 20 000 km2 grossen Park die Ruhe, Ursprünglichkeit und die Tiere findet, die man sich sehnsüchtig erhofft hat. In der restlichen Zeit sind die staatlichen Camps auf Massentourismus ausgerichtet und überlaufen. Die zauberhaften Geräusche der afrikanischen Nächte gehen dann im Rattern der Klimaanlagen und im Geplauder der Grillpartys unter, und viele Tiere bekommt man oft nur aus grosser Distanz zu Gesicht. Denn das Los des normalen KrügerparkTouristen ist es, sich entweder mit dem eigenen Auto auf vorgeschriebenen Routen zu bewegen oder sich mit zwanzig anderen Tierfans in einen Lastwagen zu pferchen. Dann geht’s eineinhalb Stunden eine Asphaltstrasse hoch und wieder runter. Dass bei diesen Pirschfahrten das Abenteuer auf der Strecke bleibt, ist vorhersehbar. Dafür ist es bezahlbar: Die Ausflüge kosten um die 25 Franken, und eine Übernachtung in einer Rundhütte, zum Beispiel in den Camps Olifants oder Letaba, schlägt nur mit 50 Franken pro Person zu Buche. Leider wird dort, wie in allen staatlichen Camps, für die Natur und deren Erhaltung nur gerade das Minimum getan. Ein Trost bleibt: Die Tiere sind überall dieselben! Diese Unterkünfte sind buchbar via africa@privatesafaris.ch oder Tel. 044 386 46 46 Steckbrief Sonja Hüsler Sonja Hüsler arbeitet als Journalistin für den Verlag Axel Springer Schweiz und reist für die TV-Zeitschrift TELE regelmässig um die Welt. Ihre Erlebnisse und Neuigkeiten bloggt sie unter www.travel.tele.ch Ulusaba, Sir Richard Branson's Private Game Reserve
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